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Samstag, 10. Januar 2015

"Sie sind es nicht..." *** Über das Phänomen PEGIDA




Sie sind es nicht  -
Über das Phänomen PEGIDA
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Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.
Georg Christoph Lichtenberg;
deutscher Schriftsteller

Schon der Name dieser sog. Bewegung ist verdächtig: Während es noch angehen mag, dass es patriotische Europäer gibt, ist es doch völlig irreführend, implizit zu behaupten, dass eine Islamisierung im Gange sei… Dass die Leute außerdem vorgeben das gesamte Abendland zu vertreten, grenzt an Größenwahn. 

Dennoch, jeden Montag versammeln sich in Dresden und anderen deutschen Städten Tausende, mit der Absicht, die (nicht stattfindende) Islamisierung des (gesamten) Abendlandes zu verhindern. Die Veranstalter, allen voran ein gewisser Lutz Bachmann, nennen diese Veranstaltungen „Spaziergänge“ und demonstrieren mit dem Ruf „Wir sind das Volk“. Auch das ist ganz falsch, denn was da somit spazieren geht, ist nicht das Volk.



Daraus ergeben sich die Fragen, je wer geht da eigentlich auf die Straße und wer organisiert das? Nun, augenscheinlich sind das mehrheitlich ganz normale junge und alte Menschen, die sich – eher leise und bescheiden, fast ängstlich – hinter den Parolen gegen den Islam, gegen Muslime, gegen Asylsuchende oder, ganz allgemein, gegen Andere versammeln. Erst bei näherem Hinschauen wird deutlich, dass es nicht diese Leute sind, die den Takt vorgeben, die Ordner stellen, die Reden halten. 

Viele von denen, die in Dresden den Ton angeben, sind, lt. der örtlichen Polizei, stadtbekannte Hooligans (Dynamo Dresden), die von Anfang an bei PEGIDA mitmischen. Einige von ihnen sind auch bei HOGESA, also „Hooligans gegen Salafisten“, die vorgeben gegen Salafisten zu sein, aber eigentlich gegen alle Muslime, gegen Fremde und Flüchtlinge und gegen „die“ Politik sind.

Stadtbekannte, in rechtsextremen Parteien oder Organisationen organisierte, schlicht rassistisch-reaktionäre Leute schwingen Reden, nutzten die Demos bewusst, um fremdenfeindliche Ressentiments zu schüren, angebliche Kriminalität von Ausländern in Deutschland anzuprangern oder auch gerne mal von einem zukünftigen Christstollenverbot, die Umbenennung von Weihnachten in Winterfest oder einer Burka-Pflicht für sächsische Frauen zu schwadronieren. 

Diese rechts-populistische Agitation ist bei vielen Teilnehmern gar nicht nötig, denn die sind längst fremdenfeindlich und nehmen teilweise lange Anfahrtswege nach Dresden in Kauf, um ihrem Gemeinschaftshasserlebnis zu frönen. Siehe Anhang *1)

Diffamierung ersetzt nicht die politische Auseinandersetzung

Diese Teilnehmer stört es auch nicht, dass der Wortführer von PEGIDA Lutz Bachmann, der sich selbst gerne in der Bürgerlichen Mitte verortet (was allerdings eine abenteuerliche Bezeichnung ist), höchst selbst nicht die strengen moralischen und rechtlichen Kriterien erfüllt, die er für die Asylsuchenden fordert. Mir liegt es fern, PEGIDA anzugreifen in dem ich ihn als Person in ein schlechtes Licht rücke (was leicht möglich wäre – siehe Anhang *2). 

Da er ja ständig vom Christlichen Abendland spricht, zitiere ich mal einen Bibelstelle „an ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ und um die wahre Geisteshaltung dieses Menschen zu zeigen, füge eine Äußerung aus seinem Twitter-Profil bei. Dort ist unter anderem über die „Grünen“ zu lesen: "Gehören standrechtlich erschossen diese Öko-Terroristen! ... allen voran Claudia Fatima Roth!" Für diesen Tweet hat sich Bachmann inzwischen zwar entschuldigt, aber gelöscht hat er ihn nicht!

Für Ideologen sind Fakten eher störend

Für die Organisatoren, die Redenführer und Hintermänner (auch für die latent rechtslastigen Mitläufern) spielt es keine Rolle, ob die Faktenlage, ob die Wirklichkeit zu ihren kruden Ansichten passen oder nicht. Es spielt somit auch keine Rolle, mit ihnen darüber zu diskutieren, da sie gar nicht bereit sind ihr Weltbild zu korrigieren. 

Die Fakten zu nennen ist höchstens für jene Mitläufer guten Willens hilfreich, die klammheimlich vor den Karren dieser Rechtpopulisten haben spannen lassen oder gespannt werden. Und hier beginnt die wirklich wichtige politische Auseinandersetzung mit diesem Phänomen. Ich möchte kurz auf die wichtigsten sog. Botschaften, bzw. sog. Forderungen eingehen und verweise gleichzeitig auf eine ausführliche Fassung (siehe Anhang *3):

  1. Deutschland wird zunehmend islamisiert. Ich möchte nicht, dass meine Enkel im Islam aufwachsen.
Das wird eh nicht geschehen, denn nach demographischen Studien wird, selbst bei weiterer Einwanderung aus muslimischen Ländern, der muslimisch geprägte Bevölkerungsanteil nicht über 7% steigen.

  1. Radikale Salafisten bedrohen unsere Gesellschaft.
Ja, Radikale bedrohen die Gesellschaften in denen sie leben… also alle Radikale; nicht nur muslimische. Nach Aussagen der muslimischen Organisationen die mit dem Bundes Innenministerium zusammen arbeiten, ist der Anteil radikaler Salafisten in der muslimischen Gemeinde geringer, als der Anteil radikaler Hooligans in der Fußball-Fanszene. Vor wem muss man also Angst haben…

  1. Während Flüchtlinge in hotelähnlichen Heimen mit „Vollversorgung“ untergebracht werden, müssen deutsche Rentner hungern

Klar, durch die sog. Reformen am Arbeitsmarkt ist die Altersarmut gestiegen und fast eine halbe Million alte Menschen leben am sog. Existenzminimum (neben Miete und Heizung, werden 391 € ausgezahlt); was allerdings nicht die Asylsuchenden verursacht haben. Die Unterbringung ist alles andere als „hotelähnlich“.

  1. Das deutsche Recht ist straffälligen Ausländern und Asylbewerbern gegenüber zu lasch

Das grundfalsch. Das Deutsche Recht bedroht jeden Ausländer mit Ausweisung. Allerdings ist Deutschland ein Rechtsstaat (und das soll er auch bleiben) und jedem hier lebenden Menschen steht der Rechtsweg offen. Wenn die Verfahren zu lange dauern, dann liegt es daran, dass die Deutsche Gerichtsbarkeit personell unterbesetzt ist; was die Asylsuchenden auch nicht zu verantworten haben. Außerdem sie lt. Kriminalstatistik Ausländer nichtkrimineller als der Rest der Bevölkerung.

  1. Wir sind keine Nazis, wir sind nur besorgte Bürger

Das stimmt grundsätzlich, denn das Gros der Demonstranten sind einfach fehlgeleitete Opfer. Selbst die Organisatoren würde ich nicht als Nazis bezeichnen, denn das wäre eine ungerechtfertigte Aufwertung. Die sind einfach nur tumbe Rassisten, die dumme Ressentiments bedienen und ihr Süppchen auf dem Feuerchen der latent in der Gesellschaft vorkommenden Fremdenfeindlichkeit kochen.

Beschimpfungen sind untauglich

Wenn ich also die Demonstranten mehrheitlich als Opfer bezeichne, dann stellt sich die Frage: Opfer von was? Wenn man mit ihnen Spricht, was z.B. der NDR *1) getan hat – bevor die paranoide Führung von PEGIDA ihren Leuten riet, mit der „Lügenpresse“ (das ist übrigens ein Schlagwort aus der NPD-Szene) nicht mehr zu reden – wenn man also mit ihnen spricht, kommt die Antwort: Es ist Angst. Nächste Frage: Angst vor was? Zusammengefasst und ohne Bewertung, ist es die Angst vor dem Verlust des eigenen Lebensstandards, die Angst vorsozialem Abstieg, die Angst vor Armut oder Verarmung die aus den Leuten spricht.

Da nützt es nicht viel, wenn die Generalsekretärin der SPD davon spricht, dass PEGIDA das „politische Klima“ vergifte (siehe Anhang *4). Die Mongos z.B. sind gegen das extrem wirksame Gift von Kobras immun… solange sie gesund sind. Übertragen auf unsere Gesellschaft bedeutet das, dass sie schon ziemlich „schwach“ sein muss, wenn ihnen dieses kümmerliche Giftchen der PRGIDA was anhaben kann. Da kommt mir doch die Frage, wer für diese Schwächung verantwortlich ist, liebe SPD-Generalsekretärin.

Vielleicht die Politik, die sie seit 35 Jahren immer noch mit Inbrunst vertreten, die sich aber nach all der Zeit größtenteils als für das Volk (dem sie dienen sollen) als zumindest nachteilig oder sogar schädlich erwiesen hat. Da ist es fast zynisch zu nennen, wenn sich zwei Altkanzler (der erste der mit neoliberaler Politik anfing und der letzte, der mit der Agenda 2010 allem den Hut aufsetzte…) vor die Presse stellen und PEGIDA „scharf verurteilen“ und ihr in der „Zeit“ (Zitat) "Dumpfe Vorurteile, Fremdenhass, Intoleranz“ vorwerfen (siehe Anhang *5). Das ist ja nicht falsch, aber es ist nur die eine Seite der Münze – auf der anderen Seite ist das Bild zweier Altkanzler der SPD.

Die Konservative und die Liberalen in Deutschland sollten jetzt – ob der SPD-Schelte – nicht in Selbstzufriedenheit zurück lehnen. Die Kanzlerin mit ihrer Richtlinien-Kompetenz für die Politik der Regierungen seit 2005 (!) erzeugt mit ihrer unsinnigen Sparpolitik – nicht nur in Deutschland – so große soziale Spannungen, dass es einen wundern muss, nicht noch mehr Rechtsradikale erleben zu müssen. Da kann sich der CDU-Medien-Mehrzweckwaffe Bosbach hinstellen und so lange er möchte davor warnen, die PEGIDA-Demonstranten nicht pauschal als Rechtsextreme zu diffamieren und dafür zu plädieren deren Ängste ernst zu nehmen (siehe Anhang *6). Führt das zur Änderung der Regierungspolitik? Nein. Es werden weiter die neoliberalen Rezepte angewendet.

Interpretation wirklicher Hintergründe

Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, wenn man das lediglich als deutsches Problem ansähe. Aus den „neoliberalen Quellen“ speist sich Rechte Szenen in der gesamten EU, da es die Neoliberalisten hauptsächlich aus D, Fund GB fertig brachten, der EU ein neoliberalistisches Profil zu verpassen. Gleichzeitig wettern sie gegen die EU, so dass die Menschen sich davon abwenden… vom einzigen abwenden, das ihnen helfen könnte. Bravo.

Diese selbsternannten Anwälte der “Kleinen Leute” auf, die einen unterschwelligen Unmut aufgreifen und ihn auf jene lenken, die eigentlich nichts dafür können, aber als Sündenböck so herrlich funktionieren. Richtige Lösungen beruhen aber nicht auf Stimmungen, sondern auf Analysen und den richtigen Schlussfolgerungen daraus. Die interessante Frage ist nun: Aus welchen Quellen speist sich nun dieser Unmut? Meine Antwort lautet: Aus einem Legitimitäts-Problem des europäischen kapitalistisch/demokratischen Systems, das der ureigensten europäischen Errungenschaft des Sozialstaats die Funktion abwürgt.

Viele Menschen spüren, dass es in unseren Gesellschaften total ungerecht zugeht. Während Millionen Leute in prekären Jobs nicht die Butter aufs Brot verdienen, stecken sich die sog. Eliten die Taschen voll. Während das Bankensystem mit Billionen vor dem selbstverschuldeten Kollaps gerettet wurde, bestraft man Arbeitslose mit Leistungsentzug, wenn sie sich zu einem Termin im Amt verspäten; weintrinkende lebenslang versorgte Hochschulprofessoren, predigen kleinen Leuten das Wassertrinken (und diese professoralen Halunken, werden auch noch von den von ihnen Verhöhnten hier auf dieser Plattform gelobt – z.B. der Herr Sinn.

Natürlich nehmen uns Ausländer die Arbeitsplätze ab: General Motors aus USA schließt einen Standort in Bochum, obwohl dort Schwarze Zahlen geschrieben wurden. Die Finnen von Nokia hatten vorher schon einen ganzen Standort nach Rumänien verlegt, weil sie dort Subventionen abgreifen konnten… die Reihe ließe sich sehr lange fortsetzen. Nur, sich dagegen zu wehren ist nicht so einfach wie auf Immigranten zu schimpfen und es hieße, sich gegen das System zu stellen. Das würde sich das nicht gefallen lassen und schließlich die Gegner eliminieren (man schaue aktuell nach Hongkong und frage sich, warum der Westen nicht massiv protestiert... vielleicht hat man Verständnis).

Fest steht, dass der gesellschaftliche Verteilungsspielraum massiv zu Ungunsten der arbeitenden Bevölkerung eingeschränkt wurde und dafür das gesellschaftliche Produkt auf Wenige – von unten nach oben – verteilt wurde. Die „soziale Mangelwirtschaft“, z.B. in Rente, Gesundheit und Bildung, resultiert daraus. Und genau das ist die Quelle des Unmuts: Die Ungerechtigkeit. Nur, um die zu beseitigen ist es unsinnig auf Immigranten zu deuten. Es sei denn, es geht gar nicht um die berechtigten Interessen der Menschen einer Gesellschaft und man vertritt klammheimlich ganz andere Absichten. Dann, und nur dann, macht die Sündenbock-Politik Sinn… und wer sich in diesem Wissen vor den Karren einer PEGIDA spannen lässt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen ein politischer Rechtsaußen zu sein.

Widerstand ist nicht zwecklos

Wenn man mir bis hierhin folgte, dann möchte ich der Vollständigkeit halber noch hinzu fügen, dass ich nicht so verstanden werden möchte, nur eine Änderung der Großen Linien der Politik sei erforderlich… natürlich ist jede Form des gesellschaftlichen Widerstands herzlich willkommen. Ganz gleich ob dieser Widerstand religiös mit (Nächstenliebe) oder säkular mit (Solidarität) für die Schutzsuchenden aus Kriegsgebieten, für Hungerflüchtlinge oder für politisch Verfolgte begründet ist, die Bilder dieses Widerstands erzeugen zumindest die politische Wirkung, diesen Rechtspopulisten den Zulauf zu verringern.

Mit großer Abscheu nehme ich das Attentat auf Journalisten in Paris zur Kenntnis und warne jetzt schon davor, dass das „Wasser auf die Mühlen“ der Rechten sein wird, denen das Leid der Angehörigen oder das Schicksal der Getroffenen mindestens egal ist; sie werden es für ihre Zwecke instrumentalisieren. Klammheimlich werden sie sich freuen, denn diese Kollegen haben auch immer satirisch/kritisch über Rechts berichtet. Dass es möglich ist, nicht nur Bierernst, sondern auch mit den Mitteln der Satire Widerstand zu leisten, zeigt auch die Web-Seite von „PIGIDA: Patriotischer Islam gegen die Islamisierung des Abendlandes“ die sich mit dem Schlachtruf „Gebt den Christen das Abendland zurück!“ satirisch mit PEGIDA solidarisiert und darauf aufmerksam macht, dass derzeit 2,2 Milliarden Christen auf der ganzen Welt leben, davon aber lediglich ca. 500 Millionen in Europa. PIGIDA proklamiert: Das Abendland gehört den Christen! Ihr seid das Volk! Wir nehmen 45 Millionen europäische Muslime zurück und schenken Europa 1,7 Milliarden Christen aus aller Welt! (siehe Anhang *7)

Also Widerstand ist in jeder Form wichtig. Eine wesentlich wichtigere Aufgabe kommt jedoch den Massenmedien zu. Es nutzt nur bedingt und begrenzt, medial auf dieses Phänomen einzuprügeln. Natürlich muss die Presse investigativ zu arbeiten ohne sich von den einschlägigen Drohungen aus der Rechten Szene abschrecken zu lassen (siehe Anhang *8), aber darauf darf sie sich nicht beschränken. Es ist erforderlich, die neoliberal geprägte Mainstream-Berichterstattung zugunsten einer „Berichterstattung der Aufklärung“ aufzugeben.

Die Konservative hat es bedauerlicherweise fertig gebracht, dass in der Öffentlichkeit die Meinung vorherrscht, die Presse allgemein sei Links orientiert. Den Glauben an dieses Märchen haben die Rechten aufgegriffen und daraus die Schlagworte „Linken Presse“ oder auch „Lügenpresse“ kreiert. Wer das weiterverbreitet, bedient auch die Rechtpopulisten. Verlage sind kapitalistische Unternehmen und Zeitungen sind ihr Produkt… ich kenne keinen linksradikalen Unternehmer; eher das Gegenteil.

Mit freundlichen Grüßen
Wilfried John

Anhang *1) = NDR-Interviews mit Teilnehmern


Anhang *2) = Lebenslauf der PEGIDA-Organisators Bachmann

Anhang *3) = Faktencheck über PEGIDA

Anhang *4) = SPD-Generalsekretärin über PEGIDA

Anhang *5) = Die Mit-Verursacher äußern sich einseitig

Anhang *6) = Falsche Analyse führt zu falscher Regierungspolitik

Anhang *7) = Satirischer Gegenvorschlag

Anhang *8) = Drohungen gegen Journalisten





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